Der Bypass Bern-Ost soll die Verkehrsprobleme rund um die A6 lösen, indem er den Verkehr unter die Erde verlagert. Während Befürworter weniger Stau und eine höhere Lebensqualität für die Stadtteile erwarten, befürchten Kritiker steigenden Autoverkehr und hohe Umweltbelastungen. Was bedeutet das Milliardenprojekt für die Region? Und welche Herausforderungen bringt der Bau mit sich?
Stau, Lärm, Abgase – kann der Bypass Bern-Ost die Verkehrsprobleme wirklich lösen?
Es ist Montagmorgen, 7:30 Uhr, und die A6 zwischen Muri und Wankdorf gleicht einem Parkplatz. Autos stehen Stossstange an Stossstange, der Lärmpegel ist ohrenbetäubend, und die Luft ist dick von Abgasen. Pendler, die täglich von Bern ins Umland fahren, sind genervt. Doch bald könnte sich das ändern. Der geplante Bypass Bern-Ost soll den Verkehr entlasten und die Lebensqualität in der Stadt verbessern. Doch ist das Grossprojekt wirklich die Lösung – oder nur eine teure Fehlplanung, die die Umwelt weiter belastet?
Die Autobahn A6 zwischen Muri und dem Wankdorf ist eine der meistbefahrenen Strassen der Region Bern. Täglich fahren hier rund 70.000 Fahrzeuge, Tendenz steigend. Stau ist ein alltägliches Problem, insbesondere während der Stoßzeiten. Um Abhilfe zu schaffen, plant das Bundesamt für Straßen (ASTRA) den Bypass Bern-Ost, ein Grossprojekt, das den Verkehr in einen Tunnel verlegt, um den Verkehr flüssiger zu gestalten und die Lebensqualität in der Region zu verbessern.
Die Bauarbeiten, die in mehreren Phasen umgesetzt werden, umfassen nicht nur die Untertunnelung, sondern auch den Rückbau der bestehenden Autobahn A6, die zu einer normalen Strasse zurückgebaut wird. Doch das Projekt sorgt für Diskussionen: Während die einen eine dringend benötigte Verbesserung des Verkehrsflusses sehen, befürchten andere eine versteckte Kapazitätserweiterung und eine Zunahme des Autoverkehrs.
Unter der Stadt – Ein Tunnel für die Zukunft
Laut ASTRA hat das Bauprojekt klare Ziele: Die Sicherheit auf der Autobahn soll erhöht werden, die Verfügbarkeit verbessert und der Stau reduziert werden. Ein weiteres Ziel ist die Verträglichkeit des Projekts mit der Umwelt und den Anwohnern. „Die Kapazität ist am Limit. Rund 70.000 Fahrzeuge nutzen die A6 pro
Tag und Prognosen gehen von einer Zunahme auf 80.000 aus. Zwar flacht das
Wachstum ab, doch die Kapazitätsgrenzen sind bereits heute erreicht.“, erklärt Beat
Aeberhard, Projektleiter und Angestellter bei ASTRA. „Wir brauchen eine Lösung, die den Verkehr aus den Quartieren holt und für eine bessere Verfügbarkeit sorgt.“
Der Bypass Bern-Ost soll genau das ermöglichen. Der neue Tunnel wird den Verkehr unter die Erde verlegen, wodurch oberirdische Strassen entlastet werden. Langfristig kann so der Lärm reduziert und die Lebensqualität in angrenzenden Stadtteilen verbessert werden“, heißt es aus den Planungsunterlagen.
Allerdings bleibt eine Frage offen: Wird der Tunnel die Verkehrssituation wirklich verbessern oder nur mehr Autos anziehen?
Gegenwind: Widerstand aus der Bevölkerung
Während die Bauherren die Vorteile betonen, gibt es Widerstand gegen das Projekt. Einer der Kritiker des Autobahnausbaus ist der Verein Spurwechsel. Ihr Argument: Mehr Straßen bedeuten mehr Verkehr. Jedoch hat der Verein noch keine klare Position zum Thema Bypass eingenommen.
Markus Heinzer, ein Vertreter des Vereins, betont: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Bypass Ost, aber wir glauben, dass der Fokus auf der Reduzierung des Autoverkehrs liegen sollte. Statt die Kapazität der Autobahn zu erhöhen, sollten wir alternative Verkehrsmittel fördern und die Stadtzentren verdichten. Kurze Wege und ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr sind die Lösung, nicht mehr Autobahnen."
„Das Positive an diesem Projekt ist, dass der Verkehr aus dem Quartier unter die Erde verschwindet.",
sagt der Vertreter des Vereins. Dank dieser Tatsache und weil die Bevölkerung von Anfang an in den Planungsprozess einbezogen wurde, ist der Verein Neutral und nicht dagegen.
Die Kritiker verweisen auch auf die ökologischen Folgen. Da der Bau enormen CO₂-Ausstoss verursacht. Zudem wäre das Ziel, bis 2030 den Ausstoß um 50 Prozent zu senken – dieses Projekt geht jedoch in die völlig falsche Richtung.
Astra versucht durch Gespräche und Informationsveranstaltungen sicherzustellen, dass die Anwohner ihre Meinung einbringen können und über den Stand der Planungen informiert sind. Wodurch dieses Projekt eine noch grössere Bereicherung für die Anwohner wäre.
Technische Herausforderungen und Kostenexplosionen
Das Bauunternehmen B+S steht vor anspruchsvollen Aufgaben, da der Autobahnabschnitt durch dicht bebaute Gebiete führt und der Tunnelbau spezielle Maßnahmen erfordert. „Besonders herausfordernd ist der Abschnitt Muri“, erklärt Walter Schaufelberger, Ingenieur von B+S. „Hier müssen wir Lösungen finden, die den Verkehr sicher führen und gleichzeitig ökologisch sowie städtebaulich tragfähig sind.“ Während des Baus wird der Verkehr auf provisorische Fahrspuren geleitet, was zusätzlich belastet. Die Kosten, ursprünglich auf 2,7 Milliarden Franken geschätzt, könnten steigen. Auch beim Lärmschutz gibt es Diskussionen. Geplante Maßnahmen wie lärmdämpfende
Beläge und Überdeckungen werden erst nach Fertigstellung bewertet.
Die Rolle des Ingenieurunternehmens B+S im Projekt
Das Ingenieurunternehmen B+S nimmt eine zentrale Rolle im Projekt ein. Dem Unternehmen obliegt die Planung der neuen Kreuzungen sowie die verkehrstechnische Integration der unterirdischen Autobahnabschnitte. Die Herausforderungen sind insbesondere in einem städtischen Raum wie Bern als enorm zu betrachten, da hier der Platz begrenzt und die Anforderungen an die Gestaltung des öffentlichen Raums hoch sind.
Ein Meilenstein für B+S war die Entwicklung einer Lösung für den Anschluss Muri, bei der der Waldrand verschoben werden musste, um Platz für die neue Autobahn zu schaffen. Walter Schaufelberger von B+S erklärt dazu: "Es war eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, aber wir sind stolz auf die Lösung, die wir gefunden haben. Unser Ziel ist es, eine Balance zwischen den Bedürfnissen des Verkehrs und den Anforderungen der Umwelt und der Anwohner zu finden."
Meilensteine und Herausforderungen
Das Projekt hat bereits signifikante Meilensteine erreicht. So wurde in Kooperation mit den involvierten Parteien ein inhaltlicher Konsens erzielt und die Bevölkerung wurde in den Planungsprozess integriert, was bei Projekten dieser Größenordnung nicht selbstverständlich ist. Die Herausforderungen bleiben jedoch erheblich. Die Planungsphase ist langwierig, und jeder Schritt muss sorgfältig abgestimmt und genehmigt werden.
Die Einhaltung von Zwischenterminen ist essenziell, um den Abschluss des Bauvorhabens innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens zu gewährleisten.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Sicherstellung der Termine. Der Bau wird in verschiedenen Phasen ausgeführt, wobei jede Phase einer Genehmigung bedarf. Während der Bauarbeiten wird die Autobahn auf zwei Fahrstreifen reduziert, und der Pannenstreifen steht nicht mehr zur Verfügung. Um den Verkehrsfluss dennoch aufrechtzuerhalten, sollen Ampeln und weitere Regulierungsmassnahmen zum Einsatz kommen. Die Zukunft des Verkehrs:
Immer mehr Stau – und kein Ende in Sicht?
Wer morgens auf der A6 unterwegs ist, kennt das Gefühl: Bremslichter flackern, der Verkehr stockt, und an ein zügiges Vorankommen ist nicht zu denken. Seit Jahren steigen die Staustunden kontinuierlich an – ein Blick auf die Statistik bestätigt das, was Pendler längst
spüren. War der Stillstand früher auf Baustellen oder Unfälle zurückzuführen, ist es heute vor allem die schiere Überlastung der Straßen, die den Verkehr lahmlegt.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während 2008 noch rund 10.000 Staustunden pro Jahr gezählt wurden, hat sich dieser Wert mittlerweile vervielfacht. 2023 wurden erstmals über 50.000 Staustunden registriert – Tendenz steigend. Der Bypass Bern-Ost soll genau hier ansetzen und den Verkehr entzerren.
Die Zukunft des Verkehrs: Ein neuer Ansatz?
Der Bypass Bern-Ost ist nicht nur ein Infrastrukturprojekt, sondern steht auch für die Frage, wie sich der Verkehr in der Schweiz weiterentwickeln soll. Während die einen in dem Bau eine notwendige Investition für eine bessere Mobilität sehen, fordern andere einen grundlegenden Wandel im Verkehrskonzept. „Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich mehr Autobahnen brauchen oder ob es nicht sinnvoller wäre, stärker in den öffentlichen Verkehr und die Fahrradinfrastruktur zu investieren“, sagt Markus vom Verein Spurwechsel.
„Die Klimakrise verlangt ein Umdenken – und das bedeutet auch, den Autoverkehr zu reduzieren.
Ein kritischer Blick auf Stadtentwicklung und Verkehr
Die Diskussion um den Bypass Bern-Ost ist nicht nur eine Frage der Verkehrsentlastung, sondern auch eine Grundsatzdebatte über die Zukunft der Mobilität in der Region. Experten wie Helmut Holzapfel, Professor für Verkehrsplanung und Stadtentwicklung, argumentieren, dass solche Grossprojekte nicht isoliert betrachtet werden dürfen. In seinem Buch „Urbanismus und Verkehr“ beschreibt er, wie Verkehrsplanung und Stadtentwicklung untrennbar miteinander verbunden sind.
Holzapfel kritisiert, dass viele Infrastrukturprojekte den motorisierten Individualverkehr begünstigen und damit langfristig mehr Verkehr erzeugen – ein Effekt, den auch Gegner des Bypass befürchten. Er fordert stattdessen eine Stadtstruktur mit kürzeren Wegen und besseren Alternativen wie öffentlichem Verkehr und Radverkehr.
Holzapfel weist darauf hin, dass technische Lösungen wie Tunnel oder zusätzliche Spuren oft nur kurzfristig helfen. Langfristig brauche es ein Umdenken: weniger Raum für Autos, mehr Platz für Menschen. Seine Erkenntnisse werfen auch für Bern eine wichtige Frage auf: Sollte die Stadt in Straßen investieren oder besser alternative Mobilitätskonzepte fördern?
Die Befürworter des Bypass halten dagegen, dass das Projekt genau das ermöglicht: eine bessere Verkehrsführung, weniger Stau in Wohnquartieren und somit auch mehr Lebensqualität. Ob sich diese Ziele erreichen lassen, wird die Zukunft zeigen. Fest steht jedoch, dass Stadtentwicklung und Verkehr immer zusammen gedacht werden müssen – und dass ein einzelnes Bauprojekt nicht die gesamte Mobilitätspolitik ersetzen kann.
Zwischen Fortschritt und Kritik: Ein Projekt mit Folgen
Die A6 zu untertunneln, bedeutet mehr als nur eine bauliche Veränderung – es ist eine Entscheidung für eine bestimmte Art der Verkehrspolitik. Während ASTRA und B+S betonen, dass der Tunnel langfristig den Stadtverkehr entlasten wird, befürchten Gegner, dass sich durch die Kapazitätserweiterung das Problem nur verlagert.
Für die Bevölkerung der betroffenen Stadtteile wird der Bau eine lange Geduldsprobe. Staustellen, Umleitungen und Baustellenlärm werden in den kommenden Jahren zum Alltag gehören. Ob sich die Investition von mehreren Milliarden Franken am Ende lohnt, wird sich erst nach der Fertigstellung zeigen.
Eines ist sicher: Der Bypass Bern-Ost wird die Region nachhaltig verändern. Ob die Vorteile die Nachteile überwiegen, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Doch eines ist bereits jetzt klar: Die Diskussion um die Zukunft des Verkehrs in der Schweiz ist längst nicht abgeschlossen.